La Noire De...

von Ousmane Sembène

Senegal, 1966

abonnieren
La Noire De... - Ousmane Sembène
Streaming-Regionen: FR
03 von 05 Filmen

Programm:
Kino Nach der Befreiung

Dieser Film und der begleitende Kommentar enthalten rassistische Ausdrücke, die beleidigend sind und verstörend wirken können. Obwohl Cinelogue die Verwendung dieser Begriffe nicht toleriert, sind sie Teil dieses Films und gehören zu der Kolonialgeschichte seines Kontexts.

über den film

La Noire de… wird von Kritiker*innen als erster Spielfilm von einem Regisseur aus Afrika, Ousmane Sembène, angesehen. Der 1966 erschienene Film spielt in Senegal und in Frankreich. In diesem Film bietet Sembène eine beispiellose postkoloniale Lesart der Beziehungen zwischen Frankreich und Senegal und zeigt, mit seiner Kamera in der Hand, dass die Verteidigung der Arbeiter*innenklasse die Motivation seiner filmischen Arbeit darstellt.

Zunächst einmal ist der Rassismus ein grundlegender Bestandteil des Films, welcher dank der Reise von Diouana, der Hauptfigur, zu ihren Arbeitgeber*innen in Frankreich zur Geltung kommt. Zu diesem Aspekt kommt die Kombination aus sozialer Klasse und Gender-Identität hinzu, denn bei ihrer Ankunft in Frankreich erlebt Diouana eine soziale Herabsetzung. Sie verspürt zudem auch ihren Status als schwarze Frau, durch den lüsternen Blicken denen sie in Frankreich täglich ausgesetzt wird.

La Noire de… dreht sich rund um Dakar, die Hauptstadt Senegals, eine Stadt mit einer sehr starken Symbolik. Die ehemalige Hauptstadt von Französisch-Westafrika hat sich verändert, indem sie immer noch eine Mehrheit der Franzosen beherbergt, die aufgrund der technischen Zusammenarbeit, die Senegal und Frankreich trotz der erlangten Unabhängigkeit immer noch verbindet, vor Ort geblieben sind.

Diouana tritt in den Dienst eines französischen Paares. Als Dienstmädchen für "Madame" gewehrt ihr Job ihr den ersehnten sozialen Aufstieg, da sie ihre dicht bevölkerte Nachbarschaft verlassen und die Brücke überqueren kann, die sie vom Plateau, dem Geschäftsviertel von Dakar, trennt. Diese Brücke, die ihre Welt von der ihrer Arbeitgeber*innen trennt, überquert Diouana jeden Tag mit Vergnügen, weil sie es ihr ermöglicht, ihren Traum zu erfüllen, nämlich eines Tages nach Frankreich zu gehen.

Frankreich, ihr Traumziel, bietet eine andere, viel unheimlichere Realität an, als Diouana sie sich vorgestellt hat. Sie wirbelt in dieser beengten neuen Wohnumgebung herum, wie ein wildes Tier in einem Käfig. Dieser neue Lebensraum, der so klein und der Entwicklung nicht förderlich ist, ist Schauplatz wiederkehrender Konflikte zwischen Diouana und ihrer Arbeitgeberin.

Sembène spielt viel mit der Dichotomie zwischen dem Westen, als zivilisierte und zivilisierende Macht, und den „Anderen“. Zu diesen „Anderen“ gehören all jene, welche die Schwelle der Moderne und der „Zivilisation“ noch nicht erreicht haben. Seine Arbeit ist umso wichtiger, weil aus der Sicht eines ehemaligen Kolonisierten, die ehemalige Kolonie in einem so rohen Licht darzustellen, äußerst gewagt ist. Zu einer Zeit, als neue Städte errichtet wurden, galt das Wenden der Machtverhältnisse, indem man den ehemaligen Kolonisierten durch Film eine Stimme gibt, als eine Umkehrung der Machtlogik.

Diouana ist eine Untergebene, und dafür muss sie schweigend Schikane und Demütigung erleiden. Diouana bringt sich selbst zum Schweigen und wehrt sich so gut sie kann. Bis sie es nicht mehr aushält.

Die gespielten Machtlogiken bewirken dass implizit, trotz dem Unabhängigkeits-Status der afrikanischen Länder, das Weißsein weiterhin als die angesehene Norm gilt und gegen welche kein Widerstand geduldet wird. Sembène erlaubt sich, die Stimme der Stimmlosen zu sein, und sechzig Jahre nach der Veröffentlichung von La Noire de… ist seine Botschaft immer noch bemerkenswert raffiniert und relevant.

*Der französische Originaltext enthält die von der Autorin gewählte Bezeichnung fr. “noir africain”, eine Bezeichnung für eine schwarze Person aus Afrika. Die Originalbezeichnung ist im Deutschen nicht übersetzbar, daher diese Anpassung der deutschen Übersetzung.

**Das französische Wort „négresse“ hebt die Gewalt hervor, die die Hauptfigur durch die weiße Gemeinschaft in Frankreich wegen ihrer sich überschneidende Identität als schwarze Frau und insbesondere als Bürgerin eines ehemals kolonisierten Landes erleidet. Die Originalbezeichnung ist im Deutschen nicht übersetzbar, daher diese Anpassung der deutschen Übersetzung. La Noire De...

historischer kontext

L'occupation européenne directe de l'Afrique de l'Ouest a commencé au 15e siècle et s'est terminée lorsque le Sénégal et ses voisins ont obtenu leur indépendance formelle au tournant des années 1960. La région a connu près de 500 ans de domination et d'exploitation par des puissances européennes concurrentes, telles que le Portugal, la Grande-Bretagne et les Pays-Bas. La France a établi sa première base commerciale coloniale à l'embouchure du Sénégal en 1638 et a choisi Dakar comme capitale de son empire colonial ouest-africain en 1870.

Die formale Unabhängigkeit führte zwar nicht zu allen Vorteilen der Freiheit, die sich die im Senegal lebenden Menschen erhofft hatten, aber sie schuf Raum für einen Aufwall emanzipatorischer, kultureller und künstlerischer Ausdrucksformen.

über die/den regisseur*in

Ousmane Sembène ist ein senegalesischer Schriftsteller und Regisseur. Er gilt als einer der Pioniere des afrikanischen Kinos, genauer gesagt des Filmgenres „Afrikanischer Filmischer Realismus“. Er sah das Kino als Erweiterung seines politischen Aktivismus und als Medium, mit dem er seine Kritik an hegemonialen Kräften wie Kolonialismus, Patriarchat und Kapitalismus widerspiegelte.

Sembène begann seine filmische Praxis damit, seine antikolonialen Romane in Kurzfilme umzuwandeln, um seine Kritik einem breiten afrikanischen Publikum außerhalb elitärer Kreise leichter zugänglich zu machen. Er war einer der ersten afrikanischen Filmemacher, nach der Unabhängigkeit, der Kino und Film als Barriere-brechende Werkzeuge einsetzte, um ein erweitertes Publikum zu erreichen.

Sembènes künstlerischer Weg erreichte Anfang der 1960er Jahre seinen Höhepunkt, als Senegal seine Unabhängigkeit von der direkten französischen Kolonialherrschaft erlangte. In einer Zeit, in der kulturelle Repräsentation und künstlerischer Ausdruck einen neuen Raum fanden, um zu gedeihen, bot seine Praxis eine starke Reflexion des Kampfes Senegals um seine vollständige Emanzipation.

Sembènes Werke wurden sowohl im Senegal als auch in Frankreich verboten. Während sich viele seiner Filme auf die Verbrechen der französischen Kolonialherrschaft konzentrierten, war er auch in seiner Kritik des Autoritarismus, des Elitismus und der traditionellen Praktiken im Senegal, die Frauen unterdrücken, ausgewogen. Sembène sah Frauen als entscheidende, aktive Akteure im Befreiungskampf.

über die autorin dieses textes

Ndèye Fatou Kane ist eine senegalesische Bloggerin, Autorin und Forscherin. Als einer der ersten Personen in Senegal, die einen literarischen Blog erstellten, begann sie zu Schreiben. 2014 erschien ihr erster Roman Le Malheur de Vivre (Das Unglück des Lebens). Danach wechselte sie zu feministischem Aktivismus und Gender Studies. Ihre Forschung konzentrierte sich zunächst auf senegalesischen Feminismus und Intersektionalität, dann auf die Konstruktion senegalesischer Männlichkeiten aus einer politisch-religiösen Perspektive.

Deutsch